AM SONNENPLATZ
Blick hinter die Kulissen


WOLKENLOS ist den Winter über der Sonne gefolgt. Ein Blick hinter die Kulissen vom Arbeiten dort, wo andere Leute Urlaub machen.

Mexiko 2021/22

 

Michael Köhlmeier wollte Ende Jänner unbedingt per Videocall mit mir telefonieren. Mitten im Gespräch fragt er plötzlich: “Wo sitzen Sie denn, bei Ihnen ist es so sonnig?!"

Mehr als 11 Wochen befinde ich mich mit WOLKENLOS mittlerweile direkt unter der Sonne Mexikos. Die wenigsten bekommen davon etwas mit, weil ich jeden Arbeitstag um 3 Uhr Früh (meine Zeitzone) beginne und um 22 Uhr Abends (Wiener Zeit) beende. Mittendrin, wenn sich meine Kund*innen und Autor*innen zum Mittagstisch setzen, ziehe ich mir die Laufschuhe an und laufe bei aufgehender Sonne den Strand entlang. Das klingt traumhaft und ist es auch!

 
 

„Ja, fürchtest du dich denn nicht, Mexiko ist ja auch nicht ohne?!”

Diesen Satz höre ich, sobald jemand erfragt hat, wo ich mich gerade aufhalte. Abgesehen von einer unmittelbar miterlebten Schießerei, fürchte ich mich am meisten abends, wenn ich barfuß (wie 90% des Tages) den Biomüll hinters Haus bringe und vergessen habe, das Licht anzumachen. Ich weiß, hier in der Gegend gibt es Skorpione. Wochenlang blieb meine Angst unbegründet - vorgestern habe ich einen toten Skorpion auf der Straße gefunden! Ansonsten nimmt man die Sicherheit hier sehr ernst: Kürzlich habe ich im Taxi sitzend eine vierköpfige Familie, die auf einem einzigen Moped saß, überholt. Alle vier waren ohne Helm, dafür aber mit Mundschutz unterwegs!

 

Alltag auf mexikanisch

In meiner zweiten Arbeitsnacht ist ein Gecko zwei Meter vor mir von der Decke in den kleinen Tümpel beim Eingang geplumpst (er ist geschwommen, dann gerannt und weg war er). Während eines Kundengesprächs per Videocall um sieben Uhr morgens ist hier plötzlich für eineinhalb Stunden der Strom ausgefallen. Es war mir sehr peinlich, aber wie es die Ironie des Schicksals wollte, holte denselben Kunde bei unserem nächsten Videotelefonat ein Stromausfall in seinem Wiener Büro ein. An einem Samstag, auf dem Weg zum Supermarkt, hüpfte vor mir ein leerer, 5000 Liter fassender Wassertank auf der stark befahrenen Straße. Er hatte sich unbefestigt auf der Ladefläche eines auf der Gegenseite fahrenden Pickups befunden und überquerte nun zwei Fahrspuren ohne -oh Wunder - eines der unzähligen Mopeds und Autos hinter sich zu touchieren. Drei Wochen lang hat mich der mexikanische Tischler von nebenan zehn Stunden pro Tag - also während der Arbeit und auch wenn ich bereits im Bett lag - mit evangelikalem Sermon in Ghettoblaster-Lautstärke beschallt. Ich habe alle meine Sünden alleine beim Zuhören abgebüßt.

Geschichten wie diese könnte ich endlos weitererzählen und nein, hier wird es nie fad.

 

Heimkommen

Trotzdem, mein Körper freut sich langsam wieder auf einen normalen Biorhythmus und meine EDV-Techniker darauf, dass sie nicht mehr dauernd Fernwartungen bei verlangsamtem Internet erledigen müssen. Und abgesehen von Familie und Freund*innen, die ich speziell seit den erschreckenden Ereignissen zuhause in Europa extrem vermisse, freue ich mich auf die lieben Kund*innen-Gesichter, die ich in wenigen Wochen erneut in persona treffen werde!

Österreich, ich bin bald wieder dein!

 

 
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