AM SONNENPLATZ
mit Barbis Ruder


Barbis Ruder ist Performance- und Medienkünstlerin, die sich in der Öffentlichkeit auch ab und an krass in Szene setzt und dabei scheinbar keine Schamgrenzen zu verspüren scheint. Dass sie sich diese Selbstsicherheit erst in den letzten Jahren erarbeitet hat, erzählt sie mir bei einem unserer zahlreichen Gespräche. Denn seit einigen Monaten unterstütze ich Barbis und ihre Kunst, mehr Sichtbarkeit in Ausstellungshäusern und Medien zu bekommen.

 

„FM4“, sagt sie. Die Antwort, die ich am wenigsten erwartet hätte, als ich Barbis frage, warum sie vor über 10 Jahren nach Wien gekommen sei. Und ich denke mir noch, „die Telefonverbindung ist schlecht, das habe ich jetzt bestimmt falsch verstanden“, während Barbis schon ohne Punkt und Komma weiterspricht und mir von dem genialen Alternativchat des gleichnamigen Radiosenders und generell dem Internet in den 2000ern vorschwärmt. Dort hätte sie als Jugendliche endlich Gleichgesinnte gefunden. Sie hätten sich gegenseitig Songs gewünscht und Mixtapes versendet.

Barbis Kindheit und Jugend war von vielen Umbrüchen geprägt. Mehr als fünfmal zieht sie bis zum Alter von 18 Jahren um. Immer wenn sie gerade wo angekommen war und sich halbwegs zurechtfand, gab es unfreiwillig wieder einen Ortswechsel. Barbis war so immer die Fremde, häufig auch die Außenseiterin.

 

„Ich bin in Dörfern aufgewachsen und war immer unkonventionell, kreativ und künstlerisch veranlagt. Doch dafür gab es wenig Raum. Ich wusste immer, hier passe ich als “Alternativo-Mädel” nicht hin. Ich hab‘ mich gefragt: „Wo ist mein Ort?”

 
 

Einen ersten Ausblick auf das ersehnte persönliches „Ankommen“ bekam sie während eines Austauschjahres in Finnland. Dort im städtischen Raum konnte sie das Leben einer „normalen“ Jugendlichen leben, die nicht dauernd durch ihr unkonventionelles Denken auffiel.

 

Etwas „Ordentliches“ machen

Weil ihr aber über die Jahre davor die Kontinuität und Sicherheit fehlten, um sich künstlerisch zu entfalten, passte sich Barbis  - zurück in der Heimat – wieder an und wollte „etwas Ordentliches machen“. Nicht wenige Jahre lebte sie lediglich einen Plan B. Die Musik zog sie zwar seit jeher wahnsinnig an, eine Musikerinnen- oder Künstlerinnenkarriere zu verfolgen, kam für sie aber einer Utopie gleich. Stattdessen studierte Barbis Kulturmanagement in Freiburg. „Etwas Gescheites“, wie sie sagt, das ihr aber heute in vielen Belangen sehr zu Gute komme.

2010 zog Barbis Ruder tatsächlich wegen FM4 nach Wien. Weil sich mit der neuen Unabhängigkeit nach dem Studium nun endlich ihr neuer Plan A erfüllen sollte. Es lief aber anders als erhofft: Zweimal bewirbt sie sich initiativ bei dem Radiosender, bis ihr ein unbezahltes Praktikum angeboten wird. Dieses lehnt sie dankend ab.- Aus dem Alter sei sie raus, entschied sie ohne schwerem Herzen. Und plötzlich bekommt ein längst verworfener Plan A der Vergangenheit wieder die Oberhand: Barbis bewirbt sich an der Universität für angewandte Kunst für das Fach „Transmediale Kunst“ bei Brigitte Kowanz. Ihr Aufnahmeprojekt: Eine Auseinandersetzung darüber, wie es ist, nicht genommen zu werden. Die Reaktion der Kommission spricht für sich:

 

„Die hat so eine gute Energie, die nehmen wir, die ist großartig!“

 
 

Durchstarterin

Was danach kam, fasst Barbis in einem Satz zusammen: „Dann war ich eine ziemliche Durchstarterin, mir ist der Knoten geplatzt.“ Seitdem steht der Körper in Bezug zum Raum im Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens: Barbis spielt mit der vollen Palette an Möglichkeiten: Performances, Bewegtbild, Sound, Skulptur und Installationen. Jahrelang „arbeitete“ sie sich als Künstlerin an Themen ab, die das Überwinden der Widerstände, die Selbstermächtigung des Körpers und das Heraustreten aus der „passiven, angepassten“ weiblichen Rolle im Vordergrund hatten. Sie beruft sich auf Simone de Beauvoir – man müsse sich als Künstlerin ja erstmal von den auferlegten Vorstellungen und Restriktionen des Frauseins befreien. „Das Selbst-Empowerment war wichtig, um die eigene Sozialisation zu überwinden“, hält Barbis fest.

Woher sie für die scheinbar schamlose Inszenierung ihres Körpers auf der Bühne oder im öffentlichen Raum den Mut nimmt? Mit Blick auf ihre Vergangenheit erklärt sie:

 

„Wenn du immer wieder neu anfangen musstest und es mitunter auch eine Frage des Glücks ist, ob du ausgegrenzt oder objektifiziert wirst, so hast du das konstruierte Bild von dir nicht unter Kontrolle. Aber wenn ich mich heute absichtlich so darstelle, ist die Macht bei mir, weil ich ja selbst das Bild produziere.“

 
 

Zahlreiche Preise und Auszeichnungen bestätigen Barbis‘ künstlerischen Weg. Sie sind aber bis heute kein Schutzschild gegen Schaffenskrisen oder Lampenfieber. Kurz vor dem Gang an die Öffentlichkeit verspürt sie Angst und Vorfreude gleichzeitig. Weil wie soll man sich auch auf die Reaktionen vorbereiten, wenn das künstlerisches Werk neu, nie dagewesen und davor vielleicht sogar unvorstellbar war:

 

„Dann gibt’s einen Moment vor der Show, wo du denkst: „Was hab ich mir für einen Blödsinn ausgedacht und auch noch umgesetzt?“- „Die Leute werden es ur arg finden!“

 
 

Sie lacht und fügt hinzu: „Zum Glück gibt es den Punkt, wo es klick macht und du merkst, „Ok, das macht alles Sinn!“ Deshalb hält sie an ihrem Ziel fest, noch mehr Leuten Zugänge zu Kunst zu schaffen, die wie ihr eigenes familiäres Umfeld Scheu davor haben: „Niemand ist zu blöd oder zu wenig intellektuell dafür!“

 

Zum Abschluss habe ich Barbis nach 3 konkreten Tipps gefragt, wie man sich als Künstler*in endlich in die Öffentlichkeit traut:

1) Akzeptieren, dass man nervös ist, das geht nur mit ganz viel Übung weg.
2) Zwischenergebnisse sind ok! Man kann nie mit einer Performance alles sagen – das ist immer nur ein Teil des großen Ganzen.
3) Jemanden zu haben, der/die einen aufbaut oder auch liebevoll ehrlich ist. Mit jeder Erfahrung weiß man mehr!

Webseite Barbis Ruder: barbisruder.com

 
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Sabine Kampmüller: AFYA - Verein für interkulturelle Gesundheitsförderung